Kater auf Hadj

Es lebte einst ein starker Kater in Marrakesch, der als Mülltonnenräuber und als Tyrann bekannt war und vor dessen Schnelligkeit und Sprungsicherheit sich alle Mäuse und Ratten fürchteten. Der Kater wohnte im Keller bei den Gebetsbrüdern, von welchen er viel lernte. So ließ er denn eines Tages vor allen anderen Katzen, den Mäusen und den Ratten verkünden, die frommen Männer hätten ihn überzeugt, auf Pilgerreise nach Mekka zu gehen, auf dass sein Seelenheil errettet und ihm für alles, was er zeitlebens den Mäusen und Ratten angetan habe, die Absolution erteilt werde. Sprach’s und ließ sich mit großem Tamtam von den anderen Katzen verabschieden und zog aus der Stadt.

Die Mäuse wollten dem Frieden zuerst nicht recht trauen, aber als der Kater nicht wiederkehrte, wandten sie sich wieder dem Käse zu und genossen das Leben.

Es vergingen zwei Jahre, die Katzenkinder kannten den Kater nur noch aus den Erzählungen von Mutter und Oma, als der ehemalige Wüterich geläutert und voll friedlicher Gedanken zurückkehrte. „Da bin ich wieder“ rief er, auf dem Marktplatz angekommen, „lasst uns ein großes Fest feiern, zu Ehren des Barmherzigen, ich lade euch für morgen alle ein, kommt in meinen Keller bei den Gebetsbrüdern und lasst uns zusammen beten und essen.“

Die Neuigkeit sprach sich herum wie ein Lauffeuer, und obwohl in mancher Maus und Ratte noch die Erinnerung an früher schlummerte, ließen sie sich doch schließlich alle von der neuen Großherzigkeit des Katers überzeugen.

Der Gastgeber putzte den Keller heraus und baute sogar eine kleine Empore, auf die er sich am folgenden Tage setzte, um alle seine lieben Gäste zu begrüßen. Als alle versammelt waren, schloss er das Fensterloch, begab sich wieder auf die Empore und rief feierlich und um sein geläutertes Wesen zu bekunden: „Kommt, steht auf und lasst uns zusammen beten, bevor wir den Abend genießen.“ Er stellte sich auf die Hinterläufe, kreuzte die Vorderpfoten und sprach:
 „Herr, wir danken Dir für Deine Güte, gib mir ein langes Leben und segne, was Du mir bescheret hast!“
Ja, so ist es; des einen Wehe ist des anderen Wohl. Amen.